Montag, August 08, 2005

Mein Mieter-Vermieter-Verhältnis /Eine Nachlese.

Nachdem ich die Kündigung der alten Wohnung abgegeben habe, wird es Zeit, sein 6-jähriges Verhältnis zur Vermieterfraktion zu resümieren.

Zu den Hauptakteuren.

  • Ich: Bin von hause aus eine bescheidene, großmütige Seele, die bei Zeiten etwas stiller ist als es sein sollte, die aber im selben Atemzug dann auch lauter sein kann, als es manche Leute verstehen... Nicht völlig unkompliziert, aber die meisten Leute würden mich als einen netten, besonnen Menschen mit leichtem Hang zur Groteske beschreiben.
  • Vermieterin: Alte grosse Dame mit Sitz in Steglitz. Abgeklärt aber freundlich, hat garantiert die Stadt nach dem Krieg mitaufgebaut.
  • Helfer der Vermieterin: Er meldet sich mit "Architekt Schulz" [Name geändert], wenn er ans Telefon geht, oder wenn er sich bei den Mietern vorstellt. So ein Mitte-Dreissig-'Jung'-Dynamischer.
  • Nochmal Ich: Ich würde mich nie mit Dipl. Kfm. Kawasaki vorstellen, oder Dipl. Ing. oder... never.
Jahrelang war das Verhältnis zur Vermietungspartei verhältnismäßig langweilig. Dann Auftritt Herr Architekt Müller Schulz. uups, fast hätte ich den richtigen Namen verraten. Wir heizen auf unserer Etage noch komplett mit dem schwarzen Gold. Impliziert neben angenehmer Wärme (zumindest bis zu einer Außentemperatur von ca. -7 Grad Celsius), eine Menge Schlepperei und eine nicht unerhebliche Belastung mit Aschepartikeln in der Wohnung (zu dieser Zeit existierte der Begriff Feinstaubbelastung noch nicht). Was macht eine kluge Hausfrau? Wie kann man dies gescheid umgehen? Indem man auf dem wirklich großzügig geschnittenen Hausflut seinen Ascheneimer aufbewahrt und dort seine Ascheschaufeln ausleert. Mehrere Winter war dies kein Problem. Architekt Heinz ist neu im Amt und die Schluderei im Haus muss aufhören. Tja, bei Amtsantritt wird sich generell viel vorgenommen, um zu glänzen.
Zettel werden im Hausflur aufgehängt. "Das Abstellen von Gegenständen insbesondere von Asche-Behältern ist verboten."
Dass er damit das kleine gallische Dorf in meinen Nachbarn und mir aktiviert hat, war ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Es ist auch nicht gleich einsehbar, was sich an der Situation geändert haben soll... Der Hausflur ist bei uns auf der Etage mehr als 2m tief, wahrscheinlich weil schlechte Architekten am Werk waren. Es ist nicht unmöglich, einen noch warmen Ascheeimer in unserer Etage umzuwerfen, allerdings muss man schon einiges investieren, um dieses Vorhaben absichtlich oder aus Versehen in die Tat umzusetzen. Meine Nachbarn und ich ignorieren diese Zettel. Es folgen persönliche Anschreiben und sogar Nachrichten auf dem AB.
Der Eimer wurde diesen Winter nicht in die Wohnung geholt und auch nicht umgestossen.

Frühjahr, nette Jahreszeit, die Jahreszeit der boomenden Baumärkte, Renovierungen werden in Angriff genommen. Die Wohnung ist nicht besonders gross und es ist schwer, eine Couchgarnitur aus dem einem Zimmer irgendwo anders unterzubringen als im Hausflur. Es ging einfach nicht anders. Und da ich schon ewig (auch schon während des Studiums) einen festen Job habe, verzögert sich die Renovierung ein wenig. Nach zwei Tagen hängt ein neuer Zettel da. Bitte entfernen Sie die abgestellten Gegenstände, oder wir sehen uns gezwungen, den Hausflur auf dieser Etage kostenpflichtig räumen zu lassen. Gezeichnet i.A. Schröder Schulz

[Anm: selbst mit einem Drei-, Zweisitzer und Sessel war immer noch mindestens ein Meter Platz, um die nächste Treppe zu erreichen.]
Anruf bei der Vermieterin, Sachlage erklären. Sie sagt, es hätten sich Mieter beschwert. Die Mitmieter oberhalb meiner Etage sind alle recht locker drauf, sagen ihre Meinung oder sind halbe Jahre lang nicht zu hause... Das war also Bullshit... Mieter gegeneinander aufhetzen: Keine gute Idee - nie.

Dann irgendwann wurden sogenannte Sanierungen von Architekt und Vermieterin in Angriff genommen. Dies beschränkte sich auf die Entrümpelung des Kellers und die Sanierung des Hofes. Neuer Zettel: Bitte in der Zeit 1.imMonat und 8.imMonat sämtliche sich noch in Gebrauch befindlichen Fahrräder vom Hof entfernen. Hochachtungsvoll, Friedrich.
Okay, diesmal habe ich getan, was gewünscht wurde, ohne Fahrrad bin ich kein Mensch. Das Interessante war nun, dass nach dem 8. der Hof unverändert war. Grosses Fragezeichen.
Dieser Feldversuch wiederholte sich dann nochmal und es kam zum ersten persönlichen Zusammentreffen mit dem Architekten im Hausflur. Ich gehe mit meinen Bike ahnungslos durch den Flur des Vorderhauses und werde von einem fremden Menschen angesprochen. "Herr Kawasaki? Architekt Müller." - Rotes Tuch - Und dann legt er auch noch seine Hand auf meinen Sattel. -Achtung Keule: Gefahr. Das ist uncool, gar nicht gut.

  • "Nächste Woche das Fahrrad bitte unbedingt vom Hof nehmen, sonst ist es weg."
  • "Na das hat ja letztes Mal besonders gut funktioniert. Habe mein Fahrad eine Woche lang umsonst in den zweiten Stock geschleppt."
  • "Diesmal machen wir aber ernst."
  • "Schonmal darüber nachgedacht, den Mietern Kabelbinder oder ähnliches zur Markierung der noch benötigten Fahrräder zu geben? Mach für mich mehr Sinn, als das Fahrrad in die Wohnung schleppen zu müssen."
  • "Sie können es ja auch in den Keller stellen."
  • "Der Keller ist voll, weil da meine Kohle und mein Holz lagert. Leider hat es ja letztes Jahr trotz des Versprechens mit der Gasetagenheizung nicht geklappt."
  • "Sonst ist es weg."

Zugegeben, ich habe eine niedrige Toleranzgrenze, was Anordnungen von Oben angeht, besonders, wenn sie nicht sinnvoll sind oder es schlicht bessere Lösungen gibt. Eine Verabschiedung gab es nach dieser Conversacion nicht.
Eine Woche später bekomme ich einen Anruf von Architekt Heinrich.

  • "Guten Abend, Herr Kawasaki. Ich habe den Lautsprecher an, Frau Vermieterin hört mit."
  • "Okay? Was kann ich für Sie tun?"
  • "Wir haben eine Beschwerde über sie vorliegen. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie nachts ihre Möbel umstellen und laut Musik hören. Wir möchten Sie auffordern, dies umgehend zu unterlassen. Sonst müssen wir rechtliche Schritte einleiten."
  • "Wie bitte???" - Perplexo wandelt isich langsam in Rotseho.
    "Das ist Unsinn, wer sagt das?"
  • "Die Mieterin unter Ihnen."
  • "Warum sagt sie mir das nicht persönlich, mit mir kann man reden?"
  • "Das tut nichts zur Sache."
  • "Das mache ich nicht, ich höre Musik nur in Zimmerlautstärke. Und ich kenne auch meine Rechte als Mieter...."

Leider bekomme ich diesen Trialog nicht mehr vollständig zusammen. Ich habe ihn verdrängt. Ich kann mich nur daran erinnern, dass ich Rumpelstilzchen-Like lauter wurde und irgendwann das Telefonat beenden musste, um nicht ausfallend zu werden.

Nochmal: Ich bin KEIN Choleriker. Aber irgendwas an diesem Architekten Becker bringt mich zur Weissglut.

Es folgt ein Brief von Frau Vermieterin, in dem sie den Ausgang des Telefonats höchst bedauerlich und erschreckend findet, und mir den selben Text nochmals schriftlich zukommen lässt.

Es folgt ein Antwortbrief mit meiner Verwunderung über die Art und Weise, wie ich mich in ihrem Haus in letzter Zeit behandelt werde. Ein kleiner Seitenhieb an Architekt und eine höfliche aber bestimmte Schlussfloskel.

Notizzettel an meine Unternachbarin. Ich erkläre, dass das Haus kein Neubau sei und man tatsächlich einige Gewohnheiten der Nachbarn lauter mitbekommt, als es einem manchmal lieb ist. Wenn ihr aber etwas auffällt, dann bitte kurz klingeln oder anrufen.

Funkstille.

Letzten Freitag, nachdem ich am 03.08. mit Herrn Architekt die Art und Weise der Kündigung besprochen habe, überbringe ich jene persönlich nach der Arbeit. Eigentlich wollte ich es in den Briefkasten werfen. Der war nicht zugänglich und so schelle ich bei Vermieterin und übergebe ihr das Schreiben. Der Gesichtsausdruck: leicht verärgert bis ängstlich, ich könne ihr ja auch etwas antun. Ob dieser Mimik konnte ich es auch nicht versuchen, ein paar Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und machte es Kurz. Entschuldigung für die späte Störung, Verweis auf das Telefonat mit Architekt und ein schönes Wochenende.
Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Architekt in mein Mieterleben getreten ist das Gefühl, man hätte ein freundliches Verhältnis gehabt. Nun sehe ich mich eher in der Rolle des cholerischen, uneinsichtigen Asi. Eine merkwürdige Wendung und sie wird mir nicht gerecht, wirklich, wirklich nicht.

Resüme: Viel Lärm um nichts. Ich bin bald raus hier. Aber der Architekt geht mir mächtig auf m. Eyer.