Dienstag, Oktober 18, 2005

Du bist Deutschland, oder?

Eine Kollegin machte mich auf die "Jetzt-aber-mal-Arsch-hoch-Deutschland"-Selbstbild-Kampagne aufmerksam. Ich habe die Werbespots und Plakate noch nicht persönlich gesichtet. Sah mir aber umgehend die Internet-Präsenz dieser Propaganda-Anwandlung an. Und ich muss sagen, warum nicht? Es erinnert mich im Ansatz zwar ein wenig an BIG BROTHER (nicht die TV-Show mit den oftmals eher minderbemittelten Eingesperrten, sondern die futuristische Variante von George Orwell), aber wenn sonst nichts mehr hilft....
Du bist Deutschland.
Ich bin gefühlsmäßig noch gespalten, was diese Aktion anbelangt. Auf der einen Seite fühlte ich einen Großteil meines Lebens die tiefverwurzelte Grundschuld dadurch, in Deutschland geboren zu sein - geimpft durch die sich ständig wiederholende Gehirnwäsche im Sachkunde-, Deutsch-, Englisch-, Erdkunde-, Politische Weltkunde- und Geschichtsunterricht und der schier unaufhörlichen Flut von Literatur und Literaturverfilmungen, sowie der ausländischen Presse - auf der anderen Seite musste ich schon vor geraumer Zeit tief in mir ein zartes, keimendes Pflänzlein entdecken, das gerne zu seiner Nationalität stehen möchte - ohne wesentliche Einschränkungen aber auch ohne fremdenphobische Ausgrenzungen, mit einem gewissen -jedoch unverkrampften- Verständnis für das geschichtliche Erbe. Ein wenig sehnsuchtsvoll blickte ich auf Länder wie Brasilien, Portugal, die Niederlande, ja und auch auf die Vereinigten Staaten von Amerika... die durch ihre gesellschaftlichen Schichten hinweg Ihren Patriotismus -insbesondere bei Sportveranstaltungen- Ausdruck verleihen konnten. Vielleicht ist dies auch der Grund, warum internationale Veranstaltungen mit deutscher Beteiligung und mit Erfolgen schon immer wichtig waren und auch zukünftig noch wichtiger werden. Nicht unwahrscheinlich ist dies der Grund, warum sich Deutsche mit Vorliebe mit Brasilien-Trikots an den Touri-Schnickschnackständen ausstatten... aber nie - oder nur in zwingenden Fällen - ein identisches Trikot mit einem Deutschlandschriftzug anziehen würden. Mal ehrlich, wer so etwas trüge, würde von vielen Mitbürgern eher zweifelnd angeschaut und als Prolet und/oder als Rechtsgerichteten abgestempelt - in den meisten Fällen zur Zeit leider noch zu Recht.
Ich bin sehr gespannt darauf, in wiefern sich diese Kampagne auswirkt...
Wird es gelingen, den Rechtsverirrten bestimmte Parolen zu entreissen und sie als demokratisches (Volks-)Gut zu etablieren?
... das bleibt abzuwarten - ich denke, es wäre wünschenswert, wenn z.B. der "Stolz auf Deutschland" nicht mehr als demokratie-kritischer Satz ausgesprochen werden könnte - ob dieser dann zutrifft sei dahin gestellt und dem Empfinden eines jeden einzelnen überlassen - ohne Hinterfragung des Sinngehalts des Wortes Stolz. "Ich bin Deutschland/Du bist Deutschland" wäre zumindest das derzeit politisch korrekte Substitut für die oben genannte Phrase.