Donnerstag, Juni 08, 2006

Alkoholismus

Ich widme mich zur Abwechslung mal einem ernsthafteren Thema.
Und dass es nachher nicht heisst, ich sei scheinheilig, da ich auch schon von exzessiven Zuständen berichtete - eine Klarstellung: "Ja, ich habe bestimmt schon genug für zwei Leben getrunken."
Und genau aus diesem Grund halte ich mich so gut wie möglich fern von berauschenden Mitteln, speziell von Alkohol, mit wenigen Ausnahmen: Parties, Fußballsehen mit Freunden und Besuchen im Olympiastadion.
Dieses Posting soll nicht den Alkohol an sich verteufeln, nur den gedankenlosen, unkontrollierten Umgang mit ihm. Gegen einen leichten Schwipps ist - finde ich- bei den meisten nichts einzuwenden - wobei bei jedem die Grenzen anders liegen.

Seit Jahren wohnhaft in Schöneberg, habe ich die negativen Folgen oft genug bei anderen beobachten können, bei Nachbarn oder bei den Besuchern der Etablissements Geisterbahn und Nico - Zur Haltestelle, zweiteres hat den passenden Spruch "Wir brauchen keine Apotheke, wir sind bei Nico an der Theke" am von innen gelbgequalmten Fenster stehen. Und es hätte kein passenderer Spruch sein können, denn dort halten sich ausschliesslich Patienten auf. Mitbürger, die mittags voll Panik aus der Kneipe schießen, um einem vor die Füsse zu kotzen, oder die Trinkhalle verlassen, um ca. fünf Meter weiter in meinen damaligen Hauseingang zu pinkeln. Auch die Geisterbahn hat ihren Namen nicht ohne Grund. Es ist gruselig dort. Klar, als Neuschöneberger habe ich versucht, meine Umgebung zu erkunden und es verschlug mich in die Horrorkneipe, die mit Hart-Alk für einen Euro lockt. Nur knapp bin ich einer Prügelei entgangen, die ein Endefünfzigjähriger damals mit mir starten wollte.
Meine Hausnachbarn waren zum größten Teil friedfertiger - außer ein Pärchen aus der Ukraine, das sich wochenends Landsleute einlud und die Parties nicht selten mit Streitereien und dem Besuch von zwei oder mehr Beamten in Grün endete.
Ein anderes - arbeitsloses - Pärchen dagegen war eigentlich harmlos. Nur dass sie nächtens ihre leeren Flaschen in den Glascontainer warfen, und das waren nicht wenige. Nächtens, vermute ich mal, weil es ihnen tagsüber wohl unangenehm gewesen wäre. Wenn man ihnen begegnete waren sie freundlich, aber ihre Körperhaltung schien auf eine abweichende innere Seelenlage schließen zu lassen. Leider waren deren Besucher häufig nicht so diskret. Einmal durch lautes Poltern geweckt, musste ich einen stark angetrunkenen Mann im Treppenhaus einsammeln, der blutend mit seiner Plastiktüte in den Scherben seiner Vodkaflasche lag. Im Dunkeln betrunken - ohne freie Hände - eine Treppe zu erklimmen, war offensichtlich nicht eines seiner größten Talente. Irgendwann fand ich heraus, dass er zu dem Pärchen ein Stock höher gehörte und konnte ihn in deren Obhut übergeben.

Eine Familie aus Polen fiel auch häufig durch lautes Streiten auf. Der Mann lief ab und zu durchs Haus und schnorrte Geld bei den Nachbarn - seine Frau sei gerade unterwegs... Wenn ich mich recht erinnere, bekäme ich eigentlich noch zehn Euro. Ende vom Lied war, dass er irgendwann sogar Hausverbot bekommen hat.
Kurz bevor ich auszog, bekam ich eine neue Nachbarin, die eine Etage tiefer einzog. Die erste Kontaktaufnahme war, als sie im Dunkeln, eingepisst vor ihrer Tür stand und den Schlüssel nicht ins Schloss bekam. Ich habe natürlich geholfen. Die Kornflasche, die sie dabei hatte, lag noch drei Tage später im Hausflur.


Viele Alkoholiker verstecken ihre Sucht oder versuchen es wenigstens. Auch wenn man es ihnen ohnehin häufig ansieht, besonders wenn es mit einer Nikotinsucht einhergeht... Alkohol macht häßlich... Alkohol macht hilflos... Alkohol macht kommunikationsunfähig... Alkohol macht uneinsichtig... Alkohol macht aggressiv...Alkohol macht krank... Alkohol macht unfrei. Diese Aussage stimmt insbesondere, wenn man ein vom Trinkerdasein abweichendes Selbstbild sein Eigen nennt oder nennen möchte.
Auch das Feiern in Prenzl'berg (U-Bahnhof Eberswalder Str.) verkneife ich mir seit langem - dieses ganze Elend muss ich mir nicht anschauen. Nee, echt nicht.
Wann kommt eigentlich die EU-Auflage, Warnhinweise auf den alkoholischen Getränken anbringen zu müssen? Bei Zigaretten war es ja auch nicht so schwer, oder? Raucher stinken zwar, schaden der Gesundheit (ihrer eigenen und der anderer) usw. aber sie kommen durch den Rauch nicht in eine Gemütslage, in der sie anfangen, verbal oder körperlich aggressiv zu werden.
Leute, wenn ihr nicht wisst, wann ihr genug getrunken habt, dann lasst es doch besser ganz bleiben.
Ich weiss nicht... es ist nur traurig zu sehen, was aus eigentlich netten Leuten werden kann, wenn sie nur genug Alkohol zu sich nehmen.


Ach ja, Anlass für diesen Text bot mir die Story von Schwadroneuse, da weiss man auch nicht ob man lachen oder weinen soll. Schlimm.