Dienstag, Juli 19, 2005

Dekoltees, Kamelzeh und Klempnerspalte.
Der Sommer in Berlin ist soo toll. Leider war heute wahrscheinlich der letzte Tag für zwei Wochen, an dem es nicht regnen wird. Überall laufen hübsche leichtbekleidete Menschen rum und machen mit Ihren Flipflops diese lustigen Latschgeräusche oder Damen klackern flamencoesk mit hochhackigen Schuhen den Shopping-Boulevard herunter - "Olé, ein Sonderangebot". In den hippen pink, orange oder hellblau abgetönten Sonnenbrillengläsern spiegelt sich sonnig der eigene Erfolg als Webdesigner oder der Erfolg der Eltern des Trägers wider. Jeder zeigt gerne, was er hat. Accessoires wie der I-Pod (oder zumindest weisse Kopfhörer, weil der I-Pod dann doch zu teuer war), das neueste Handy und abgefahrene Rucksäcke oder Handtaschen sind einfach unverzichtbar.
Letztens in der S-Bahn saß mir eine Schülerin gegenüber (15-16J), die dem gerade beschriebenen Bild dermaßen entsprach, dass es weh tat. Zudem war sie auch noch so leicht bekleidet, dass ich nicht mehr wusste, wo ich hinsehen sollte. Hat nun nicht viel mit dem Berliner Sommer zu tun, aber ich muss meine tiefsitzenden Schuldgefühle mal loswerden. Normalerweise habe ich kein Problem mit meinem Alter und auch keine Affinität zu Minderjährigen, aber in diesem Moment musste ich mich vorsehen, nicht einer dieser alten, lüsternen Kerle zu sein, die kleine Mädels mit Ihren Blicken ausziehen. Sie sah aus, wie jemand von der Titelseite eines Modemagazins (nun gut, wahrscheinlich sind die Models auch nicht älter als meine Mitreisende). Unterm Strich war ich froh, dass ich nur wenige Stationen zu fahren hatte, sonst hätte ich mich umsetzen müssen, ob meiner offensichtlichen Unsicherheit (Ihr wisst ja schon, dass ich Single bin, oder). Zudem verstand ich schlagartig diese ewigen Forderungen von Hochschullehrern, eine Schulkleiderordnung einzuführen. In diesem Moment war ich sogar dafür, eine solche Kleiderordnung im Grundgesetz zu verankern:


Artikel 2[Allgemeine Handlungsfreiheit; Freiheit der Person; Recht auf Leben]
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(1a) [mein Zusatz:] Im Falle von jungen Frauen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gilt Absatz (1) eingeschränkt. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit darf sich nicht in aufreizender Kleidung äußern, es sei denn, sie sind ausschliesslich in der Gesellschaft von gleichaltrigen Mitmenschen.

Mit Achtzehn könnte es dann ein Initialisierungsritual geben, bei dem die jungen Frauen in einer Zeremonie ihren ersten Public-Tanga, ihr erstes tief ausgeschnittenes, bauchfreies Top nebst zu eng sitzender Hose überreicht und ihr erstes Tatoo bekommen und das erste Mal in der Öffentlichkeit freizügig sein dürfen. Die beste Freundin sucht die ausgefallensten Klamotten aus (je nach Geldbeutel beim Lieblingsdesigner oder bei H&M) und ein langer Festzug durch eine der zahlreichen Innenstädte Berlins wird begleitet von Hobby-Samba-Trommelgruppen und Glitterkonfettiregen. Die Mutter der nun volljährigen Tochter verfolgt den Initiierungsparkur mit Freudentränen und voller Stolz, während der Vater mit hochprozentigen Ehrerbietungen von seinen engsten Vertrauten besänftigt wird, damit der den gaffenden Passanten nicht eine reinhaut.

Ich stell mir grad vor, ich wäre eine Frau und würde meinen Scheiss grad lesen... Ich glaub, ich hätte Mitleid mit mir oder ich wäre ein wenig verärgert. Aber hey, ruhig Blut ... ist doch alles nicht ganz ernstgemeint. Auf der anderen Seite lassen wir Männer ja auch nicht alles aus der Hose hängen.

Früher hatte das alles eine andere Qualität. In meiner Schulzeit liefen meine meisten Freundinnen eher im Hippierevival-Grunch-Assel-Look oder als Grufti rum - da konnte man sich sehr viel besser auf die inneren Werte einer Frau konzentrieren...hm... Ich frag mich, ob ich damals auch so ein Frauenversteher gewesen wäre, wenn es die heutige Mode gegeben hätte.
Auch eine andere Frage drängt sich mir in letzter Zeit immer wieder auf.
Wissen Frauen um die Wirkung ihrer spärlichen oder locker sitzenden Kleidung und setzen sie diese bewußt ein, so zur Selbstbestätigung? Einer Freundin zufolge, tun sie das nicht. Aber mal ehrlich - da sitzt eine Frau in einem Sommerrock vor einem Cafe. Ein Pärchen bleibt zufällig stehen, weil 'Er' etwas aus seinem Rucksack holen muss, wofür er sich hinkniet. Die Frau im Rock sitzt mit ihrem eigenen Freund genau in seinem Sichtfeld (ca. 1,5 Meter entfernt), stellt ihre Beine auf einen Stuhl und öffnet ihre Beine ein wenig, taxiert den Knieenden. Ich weiss nicht, ob der Rucksackmensch seinen Blick erhoben hat und das gesehen hat, was ich gesehen hab. Der Slip war mintgrün mit Spitze und die Bikinizone war perfekt rasiert. Nur eines von täglich mehrfachen Beispielen in der Hitze Berlins.
Als Mann kann man nunmehr nicht nur verstohlen auf Dekoltees luken, nun geht das auch bei der anscheinend alltagstauglichen Klempnerspalte. In diesem Jahr habe ich soviele halb heruntergerutschte Hosen gesehen wie nie zuvor. Letztens auf dem Ku'damm blitzte einer attraktiven jungen Dame ein nicht unerheblicher Teil Ihres nett anzuschauenden Gesäßes beim Fahrradfahren aus der Hose, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das nicht gemerkt hat.
Auch der Cameltoe scheint eine heimliche Renaissance zu geniessen, nachdem die Leggins dann Anfang der 90er endlich out waren, bedienen nun die weissen, fast durchsichtigen Leinenhosen den Kamelzeh-Liebhaber. (Leute (wahrscheinlich größtenteils Frauen), die nicht wissen, was ein Cameltoe oder eine Klempnerspalte ist, können das ja mal googlen.... )
Nur um das kurz klarzustellen, ich bin was diese Leichtigkeit der Mode anbelangt wirklich nicht verkrampft. De facto freue ich mich meist über diese Aussichten. Ich frage mich nur, ob Ihr Frauen einen Mann als Voyeur wahrnehmt, wenn er nicht sofort den Blick abwendet; ob Euch eine solche Situation dann unangenehm ist oder ob Ihr insgeheim damit kokketiert.
Momentan, ohne eine klare Erklärung Eurerseits gilt für mich:
Ihr zeigt, ich schaue (...und zwar nur mit den denkbar besten Absichten und reinsten Gedanken).
Deal? Deal! (Komm schlag ein, Danke für's schöne Zusammenleben.)
Also ein dickes Dankeschön an alle nicht allzu dünnen volljährigen Mädels, die sich in zu knappe Hüftjeans reinzwängen, sich zu kurze Tops mit zu weitem Ausschnitt anziehen und sich auf Parties so bewegen, als hätten sie noch nie Schuhe mit Absätzen angehabt. Schnuckelig.

2 comments ... | :

AR hat gesagt…

Hahahaaaaa! Sehr gut geschrieben... Und stimmt (leider)...

kurti74 hat gesagt…

Mein erster Kommentar!
Und dann noch mit Lob.
Danke AR, ich bemüh mich.